Interviewpartner:innen

Episode 1

Von Rassismus wurde nicht gesprochen!

Aynur Satır Akça

Aynur Satır Akça wurde 1971 im einem Dorf (Köprülü) im Landkreis Ceyhan in der Provinz Adana im Südosten der Türkei geboren. Ihre Familie lebte als Landarbeiter:innen mit kleinem eigenen Landbesitz im Dorf. Sie war das vierte Kind ihrer Eltern. Ihr Vater, Ramazan Satır, migrierte aufgrund der schwierigen ökonomischen Verhältnisse 1973 als Arbeitsmigrant nach Deutschland. Aynur, ihre Mutter und ihre Geschwister blieben in der Türkei. 1976 fand Ramazan Satır eine familiengerechte Wohnung in Duisburg-Wanheimerort in der Wanheimer Straße 301. Damit hatte er auch die Bedingung für die Familienzusammenführung erfüllt. Mit ihrer Familie zog Aynur Satırsie 1976 nach Wanheimerort. Aynur besuchte ab 1977 die Grundschule und danach die Gesamtschule in Duisburg. Ihre Schwester, Rukiye Satır, war in derselben Schulklasse. Aynur und Rukiye Satır überlebten den Brandanschlag vom 26.08.1984 schwerverletzt. Nachdem ihr Vater während eines Türkeiaufenthaltes ein Jahr nach dem Brandanschlag 1985 ums Leben kamgekommen war, blieb Aynur zunächst in der Türkei und kam erst 1989 zurück nach Duisburg. Sie fand eine Stelle als Büglerin in einer Mönchengladbacher Textilfabrik. Für die anstrengende Akkordarbeit nahm sie lange Fahrzeiten auf sich. Sie wechselte 1992 in eine Textilfabrik nach Duisburg und arbeitete dort als Näherin. Eigentlich war ihr Berufswunsch immer Krankenpflegerin gewesen. Dieser Traum platzte nach dem Brandanschlag. Seit 2019 engagiert sie sich für die Aufklärung des Brandanschlags, für ein würdevolles Gedenken an ihre verstorbenen Angehörigen und gegen Rassismus in der Initiative Duisburg 1984 und in bundesweiten Netzwerken. Durch ihr zivilgesellschaftliches Engagement fühlt sie sich gestärkt. Heute empowert sie andere Betroffene und arbeitet als Demokratiebotschafterin.

Bengü Kocatürk-Schuster

Bengü Kocatürk-Schuster ist wurde 1972 in München  als „Gastarbeiterkind“ geboren. Sie studierte, nachdem sie ihr Abitur im türkischen Ankara gemacht hatte, in Essen und Sunderland/UK Anglistik, Germanistik und Kunstwissenschaften. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am DOMiD – Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland mit dem Schwerpunkt Sammlungserweiterung und Betreuung der Leihgebenden. Zuletzt war sie Mitkuratorin des „Virtuellen Migrationsmuseum“. Privat ist sie Gründungsmitglied der Initiative Duisburg 1984 und engagiert sich bundesweit gemeinsam mit weiteren antirassistischen Initiativen und Betroffenen rassistischer und antisemitischer Gewalt. Sie ist Autorin zahlreicher Beiträge zum Thema Erinnerungskultur und Migrationsgeschichte.

Remziye Satır Akkuş

Remziye Satır Akkuş ist 1965 in einem Dorf (Köprülü) im Landkreis Ceyhan in der Provinz Adana im Südosten der Türkei geboren. Ihre Familie lebte als Landarbeiter:innen mit kleinem eigenen Landbesitz im Dorf. Sie war das erste Kind ihrer Eltern. Ihr Vater, Ramazan Satır, migrierte aufgrund der schwierigen ökonomischen Verhältnisse 1973 als Arbeitsmigrant nach Deutschland. Remziye, ihre Mutter und ihre Geschwister blieben in der Türkei. 1976 fand Ramazan Satır eine familiengerechte Wohnung in Duisburg-Wanheimerort in der Wanheimer Straße 301. Damit hatte er auch die Bedingung erfüllt für die Familienzusammenführung. Mit ihrer Familie zog Remziye Satırsie 1976 nach Wanheimerort in Duisburg zu ihrem Vater. Dort besuchte sie die Schule und unterstützte vor allem ihre Mutter. 1982 heiratete sie Suat Akkuş und zog nach Friedrichshafen an den Bodensee, zur Familie ihres Ehemanns. Bei dem Brandanschlag 1984 verlor Remziye sieben Angehörige. Zu diesem Zeitpunkt war sie selbst frischgebackene Mutter ihres ersten Kindes. Ende 1984 zog sie mit ihrer Familie zurück nach Duisburg, um ihren Vater und ihre Geschwister zu unterstützen. Remziye ist Mutter von fünf Kindern und hat im Unternehmen ihres Ehemanns von 1999 bis 2021 zuerst als Angestellte im Büro und dann als Co-Geschäftsführerin gearbeitet. Heute lebt sie abwechselnd im türkischen Mersin und in Duisburg.

Suat Akkuş

Suat Akkuş wurde 1964 in einem Dorf (Sarıbahçe) im Landkreis Ceyhan in der türkischen Provinz Adana geboren. Er war ein engagierter Schüler und sein Wunsch war es, Augenarzt zu werden. 1969 zogen zuerst seine Mutter und 1970 sein Vater als Arbeitsmigrant:innen nach Deutschland. Suat Akkuş lebte bei den Großeltern in der Türkei. 1971 kam er vorerst für ein Jahr nach Deutschland, ging dann aber wieder zurück in die Türkei, damit er die Schule in der Türkei in seiner Muttersprache besuchen konnte. 1979 holten ihn seine Eltern aufgrund der politischen Unruhen während des Militärputsches in der Türkei endgültig zu sich nach Friedrichshafen. Er unterbrach seine Schulausbildung und begann in einer Glasfabrik als Hilfsarbeiter zu arbeiten. 1982 heiratete er Remziye Satır Akkuş. Nach dem Brandanschlag 1984 zog er mit seiner Familie von Friedrichshafen nach Duisburg und arbeitete bei Thyssen als Stahlarbeiter. Er kündigte, als er merkte, dass es in der Fabrik keinerlei Aufstiegschancen für ihn gab. Er machte sich 1999 mit einem Taxiunternehmen und später als Geschäftsführer eines Schüler- und Behindertenfahrdienstes erfolgreich selbständig. Er und Remziye haben gemeinsam fünf Kinder. Heute lebt er mit seiner Ehefrau gemeinsam zwischen Mersin in der Türkei und Duisburg.