Glossar
Am Abend des 19.02.2020 erschoss ein Rechtsextremist innerhalb weniger Minuten in und vor einer Shisha-Bar, einem Lokal und einem Kiosk in Hanau neun Menschen aus rassistischen Gründen. Im Anschluss an die Tat floh er in seine Wohnung und erschoss seine bettlägerige Mutter und anschließend sich selbst. Die Namen der Opfer sind: Said Nesar Hashemi, Hamza Kenan Kurtović, Ferhat Unvar, Sedat Gürbüz, Fatih Saraçoğlu, Gökhan Gültekin, Vili Viorel Păun, Mercedes Kierpacz und Kaloyan Velkov.
Die Tat war von langer Hand geplant und vorbereitet. Das Bekennerschreiben des Täters ist geprägt von rassistischen, antisemitischen und misogynen Aussagen und Verschwörungserzählungen geprägt.
Siehe Anschlag in Hanau
Literatur
Auf der Seite der Initiative 19.Februar gibt es weitere Informationen zum Anschlag, den Ermittlungen und Gedenken.
Eine detaillierte Rekonstruktion der Tat und des Polizeieinsatzes wurde von der multidisziplinären Rechercheagentur Forensic Architecture im Auftrag der Initiative und der Nebenklage angefertigt.
Das vom Deutschlandfunk 2021 produzierte Feature Der letzte Tag von Sebastian Friedrich rekonstruiert mit Angehörigen und Überlebenden des Tag des Anschlags mit einem besonderen Fokus auf die Opfer und das Umfeld.
Am Abend des 19.02.2020 erschoss ein Rechtsextremist innerhalb weniger Minuten in und vor einer Shisha-Bar, einem Lokal und einem Kiosk in Hanau neun Menschen aus rassistischen Gründen. Im Anschluss an die Tat floh er in seine Wohnung und erschoss seine bettlägerige Mutter und anschließend sich selbst. Die Namen der Opfer sind: Said Nesar Hashemi, Hamza Kenan Kurtović, Ferhat Unvar, Sedat Gürbüz, Fatih Saraçoğlu, Gökhan Gültekin, Vili Viorel Păun, Mercedes Kierpacz und Kaloyan Velkov.
Die Tat war von langer Hand geplant und vorbereitet. Das Bekennerschreiben des Täters ist geprägt von rassistischen, antisemitischen und misogynen Aussagen und Verschwörungserzählungen geprägt.
Siehe 19. Februar 2020
Literatur
Auf der Seite der Initiative 19.Februar gibt es weitere Informationen zum Anschlag, den Ermittlungen und Gedenken.
Eine detaillierte Rekonstruktion der Tat und des Polizeieinsatzes wurde von der multidisziplinären Rechercheagentur Forensic Architecture im Auftrag der Initiative und der Nebenklage angefertigt.
Das vom Deutschlandfunk 2021 produzierte Feature Der letzte Tag von Sebastian Friedrich rekonstruiert mit Angehörigen und Überlebenden des Tag des Anschlags mit einem besonderen Fokus auf die Opfer und das Umfeld.
Klaus Bade, Experte für die Geschichte der Migrationspolitik bestimmt mehrere Phasen in der Migrationspolitik der Bundesrepublik (vgl. 1984; 1992). Die 1. Migrationsphase (1955 bis 1973) stellt in Deutschland die sogenannte „Gastarbeitsphase“ aus, die über Anwerbeabkommen und das institutionell festgelegte Rotationsmodell reguliert wurde. Nach der Erdölkrise 1973 wurde diese beendet. Diese Phase in den 1980er Jahren stellt die 2. Phase der Migrationspolitik dar. Bade nennt sie die Konsolidierungsphase. Sie zeichnet sich durch die Migrationsabschottung und Grenzschließung aus. In der 2. Phase der Konsolidierungszeit sollten außerdem die bis dahin eingereisten Migrant*innen nach der Wirtschaftskrise 1973 durch aggressive Rückkehrforderungen und Kampagnen bis in die 1990er Jahre hinein, dazu veranlasst werden, das Land zu verlassen. Eine Niederlassung sollte dringend verhindert werden. In Zentrum der Regierungspolitik stand die Reduktion der Zahl der Migrant*innen. Erst ab Ende der 1990er Jahre begann allmählich die Akzeptanzphase. „Die anhaltende Konzeptions- und Perspektivlosigkeit im Gesamtbereich von Migration, Integration und Minderheiten hatte zweifelsohne zur Eskalation“ der 1990er Jahre beigetragen, schreibt der Soziologe Rainer Geißler zur Krise der Migration, die in den 1990er Jahren die politischen Debatten bestimmte (vgl. Geißler 2014). Das erste Zuwanderungsgesetz und das erste Integrationsministerium der deutschen Geschichte traten 2005 in Kraft. Der "„Aktionsplan Integration"“ folgte ein Jahr später. Seitdem gibt es einen grundsätzlichen Paradigmenwechsel in der bundesdeutschen Migrationspolitik: von der Abwesenheit einer Migrationspolitik und der Verdrängung der migrantischen Einwanderungsrealität hin zur leitenden innenpolitischen Idee von „Migration und Integration.“ Migrationspolitische Organisationen bemängeln in der bundespolitischen Integrationspolitik, dass es erstens nach wie vor, keine symbolische Anerkennungspolitik gibt, sondern Integrationspolitik einseitig als „Leistungshaltung“ und „Assimilationsforderung“ gegenüber Migrant*innen auftritt. Migrant*innen müssen sich -– so lange Integrationspolitik über die Vorstellung der Leitkultur -– entwickelt wird, an die dominierende Kultur assimilieren. Stattdessen fordern kritische Stimmen aus der Politik und migrantische Vereine eine Reform der Migrationspolitik, die keine einseitige Integration von Migrant:innen erwartet, sondern zuerst eine rechtspolitische Gleichstellung sichert. Zweitens soll die Anpassungsforderung an eine dominierende Kultur und ihre Wertvorstellungen einer Gerechtigkeitsnorm und einer Politik weichen, in deren Zentrum die Vielsprachigkeit und Heterogenität einer Einwanderungsgesellschaft steht, in der es nicht um die Bewahrung verschiedener kultureller Identitäten, sondern um ein „Miteinander unter Verschiedenen“ geht (vgl. Hess u.a. 2009).
Siehe Integration
Literatur
Klaus Bade (1984): Auswanderer -– Wanderarbeiter -– Gastarbeiter: Bevölkerung, Arbeitsmarkt und Wanderung in Deutschland seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Ostfildern: Winkel-Stiftung.
Klaus Bade (1992): Einheimische Ausländer: '‚Gastarbeiter'‘-– Dauergäste – Einwanderer. In: ders. (Hg.), Deutsche im Ausland -– Fremde in Deutschland: Migration in Geschichte und Gegenwart. München: Verlag C.H.Beck.
Rainer Geißler (2014): Migration und Integration. In: Informationen zur politischen Bildung. Nr. 324. (abgerufen am 18.08.2023).
Sabine Hess/Jana Binder/Johannes Moser (2009): No integration?! Kulturwissenschaftliche Beiträge zur Integrationsdebatte in Europa. Bielefeld. Transcript Verlag.
Die Bezeichnung „Baseballschlägerjahre“ wird für die frühen 1990er Jahre, die Zeit der Nachwende, gebraucht, um auf die exzessive rechte, antisemitische und rassistische Gewalt dieser Jahre hinzuweisen. Mölln, Solingen, Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen stehen oft stellvertretend für die vielen Orte, an denen Brandanschläage und teils tagelange Pogrome gegen Häuser und Unterkünfte migrantisierter und rassifizierter Menschen stattfanden. Insbesondere in Teilen Ostdeutschlands erreichte der alltägliche Terror rechter Straßengewalt einen „Normalzustand“ quasi hegemonialen Status. Den Begriff prägte zuerst der Zeit-Online-Redakteur Christian Bangel ziemlich genau dreißig Jahre nach dem Mauerfall auf Twitter, verbunden mit dem Aufruf, autobiografische Erfahrungen aus der Zeit zu teilen.
Literatur
2022 widmete die Zeitschrift Aus Politik und Zeitgeschichte herausgegeben von der Bundeszentrale für politische Bildung sich umfangreich dem Thema rechter Gewalt in den 1990er Jahren:
APuZ, 72. Jahrgang, 49-50/2022.
Lydia Lierkes, Massimo Perinelli (2020) ( Hrsg,): Erinnern Stören. Der Mauerfall aus migrantischer und jüdischer Perspektive. Berlin: Verbrecher Verlag.
Die Webdokumentation des VBRG e.V. und des RAA Sachsen e.V. "Gegen uns" dokumentiert Fälle rechter Gewalt seit 1990.
Die Amadeu Antonio Stiftung dokumentiert auf ihrer Seite alle bekannten Todesopfer rechter Gewalt, sowie einige Verdachtsfälle, seit 1990.
Die von Zeit online und RBB 2020 produzierte Dokumentation Baseballschlägerjahre erzählt in 6 Folgen von den frühen 1990er Jahren in Ostdeutschland.
Rassistische Gewalt und Terroranschläge sind Botschaftstaten. Sie zielen darauf ab, dass zufällig ausgewählte Personen, die repräsentativ für institutionell und gesellschaftlich marginalisierte und rassifizierte Gruppen innerhalb der Dominanzgesellschaft stehen, mit Gewalt gekennzeichnet, verängstigt, ausgeschlossen, bis ausgelöscht werden sollen. Die Drohung und Gewaltbotschaft richtet sich über die angegriffene Person an die gesamte fremdzugeschriebe Gruppe. Rassistische Gewalt ist deshalb nie eine Einzeltat, sondern sie findet immer inmitten der strukturellen, institutionellen und gesellschaftspolitischen Verhältnisse statt. Die enge Verbindung der Tat mit der Identität der Betroffenen und ihr Charakter als Stellvertreter:innen lässt Opfer häufig in Angst vor erneuter Verletzung zurück. Folgt der Gewalterfahrung keine Aufklärung und offizielle Anerkennung der Opfer, insbesondere von Ermittlungsbehörden und Justiz, sondern vielmehr Verharmlosung und Relativierung, vertieft und wiederholt sich die Opfererfahrung („sekundäre Viktimisierung“).
Literatur
Gesa Köbberling (2022): Rassistische Gewalt als Erfahrung der Markierung und Unsichtbarmachung. In: ZRex – Zeitschrift für Rechtsextremismusforschung, Jahrgang 2, Heft 2. S. 268-286.
Barbara Perry (2001): In the name of hate. Understanding hate crimes. New York: Routledge.
Andreas Böttger/Olaf Lobermeier/Katarzyna Plachta(2006): Opfer rechtsextremer Gewalt. Analysen zur gesellschaftlichen Integration und Desintegration. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaft.
Heike Kleffner/Ceren Türkmen (2020): Solidarisch & Professionell: Zwei Jahrzehnte unabhängige Beratung für Betroffene rechter, rassistisch und antisemitisch motivierter Gewalt. In: Michaela Kirmes/ Rosmarie Barwinski: TRAUMA. Zeitschrift für Psychotraumatologie und ihre Anwendungen. Heft 1/2020: Schwerpunktthema: Opfer rechter Gewalt, Kröning: Asanger Verlag.
In der Nacht vom 26. Auf den 27. August 1984 wurde ein Brandanschlag auf ein Wohnhaus in der Wanheimer Straße 301 in Duisburg-Wanheimerort verübt, dabei starben sieben Personen, 23 weitere wurden z. T. schwer verletzt. Die Namen der Verstorbenen sind: Ferdane Satır (40 Jahre), Zeliha Turhan (18 Jahre), Rasim Turhan (18 Jahre), Songül Satır (4 Jahre), Ümit Satır (5 Jahre), Çiğdem Satır (7 Jahre) und Tarık Turhan (52 Tage). Rassismus als Tatmotiv wurde damals nicht konsequent überprüft, weshalb es bis heute keine hinreichende Aufklärung und Gerechtigkeit gibt.
Der Brandanschlag wird ausführlich in der 1.ersten Episode: Von Rassismus wurde nicht gesprochen! dokumentiert.
In der Nacht vom 26. Auf den 27. August 1984 wurde ein Brandanschlag auf ein Wohnhaus in der Wanheimer Straße 301 in Duisburg-Wanheimerort verübt, dabei starben sieben Personen, 23 weitere wurden z. T. schwer verletzt. Die Namen der Verstorbenen sind: Ferdane Satır (40 Jahre), Zeliha Turhan (18 Jahre), Rasim Turhan (18 Jahre), Songül Satır (4 Jahre), Ümit Satır (5 Jahre), Çiğdem Satır (7 Jahre) und Tarık Turhan (52 Tage). Rassismus als Tatmotiv wurde damals nicht konsequent überprüft, weshalb es bis heute keine hinreichende Aufklärung und Gerechtigkeit gibt.
Der Brandanschlag wird ausführlich in der 1.ersten Episode: Von Rassismus wurde nicht gesprochen! dokumentiert.
Die sog. Gruppe S. ist eine rechtsterroristische Gruppe, die mutmaßlich im November 2019 entstanden ist. Am 14. Februar 2020 führten die Sicherheitsbehörden eine bundesweite Razzia gegen eine rechtsextreme Terrorzelle durch und nahmen 12 Mitglieder fest, weil sie laut Bundeanwaltschaft Waffen gehortet und konkrete Anschläge geplant hatten. Die Ermittler hatten Verbindungen zwischen den Mitgliedern der „Gruppe S.“ und den rechtsextremen Soldiers of Odin (SOO) festgestellt, die erstmals im Zusammenhang mit dem ›Sommer der Migration‹ 2015 und den damals gegründeten Bürgerwehren in Erscheinung traten. Die Terrorzelle führten eine Liste mit ihren Angriffszielen – darunter Politiker:innen, Geflüchtete und Muslim:innen. So plante die Terrorzelle etwa in mehreren Bundesländern muslimische Gebetsorte anzugreifen.
Literatur
Ein Zusammenschluss verschiedener Fachstellen zum Thema Rechtsextremismus veröffentlicht Berichte des seit 2021 laufenden Prozesses gegen die sog. Gruppe S.
Klaus Bade, Experte für die Geschichte der Migrationspolitik bestimmt mehrere Phasen in der Migrationspolitik der Bundesrepublik (vgl. 1984; 1992). Die 1. Migrationsphase (1955 bis 1973) stellt in Deutschland die sogenannte „Gastarbeitsphase“ aus, die über Anwerbeabkommen und das institutionell festgelegte Rotationsmodell reguliert wurde. Nach der Erdölkrise 1973 wurde diese beendet. Diese Phase in den 1980er Jahren stellt die 2. Phase der Migrationspolitik dar. Bade nennt sie die Konsolidierungsphase. Sie zeichnet sich durch die Migrationsabschottung und Grenzschließung aus. In der 2. Phase der Konsolidierungszeit sollten außerdem die bis dahin eingereisten Migrant*innen nach der Wirtschaftskrise 1973 durch aggressive Rückkehrforderungen und Kampagnen bis in die 1990er Jahre hinein, dazu veranlasst werden, das Land zu verlassen. Eine Niederlassung sollte dringend verhindert werden. In Zentrum der Regierungspolitik stand die Reduktion der Zahl der Migrant*innen. Erst ab Ende der 1990er Jahre begann allmählich die Akzeptanzphase. „Die anhaltende Konzeptions- und Perspektivlosigkeit im Gesamtbereich von Migration, Integration und Minderheiten hatte zweifelsohne zur Eskalation“ der 1990er Jahre beigetragen, schreibt der Soziologe Rainer Geißler zur Krise der Migration, die in den 1990er Jahren die politischen Debatten bestimmte (vgl. Geißler 2014). Das erste Zuwanderungsgesetz und das erste Integrationsministerium der deutschen Geschichte traten 2005 in Kraft. Der "„Aktionsplan Integration"“ folgte ein Jahr später. Seitdem gibt es einen grundsätzlichen Paradigmenwechsel in der bundesdeutschen Migrationspolitik: von der Abwesenheit einer Migrationspolitik und der Verdrängung der migrantischen Einwanderungsrealität hin zur leitenden innenpolitischen Idee von „Migration und Integration.“ Migrationspolitische Organisationen bemängeln in der bundespolitischen Integrationspolitik, dass es erstens nach wie vor, keine symbolische Anerkennungspolitik gibt, sondern Integrationspolitik einseitig als „Leistungshaltung“ und „Assimilationsforderung“ gegenüber Migrant*innen auftritt. Migrant*innen müssen sich -– so lange Integrationspolitik über die Vorstellung der Leitkultur -– entwickelt wird, an die dominierende Kultur assimilieren. Stattdessen fordern kritische Stimmen aus der Politik und migrantische Vereine eine Reform der Migrationspolitik, die keine einseitige Integration von Migrant:innen erwartet, sondern zuerst eine rechtspolitische Gleichstellung sichert. Zweitens soll die Anpassungsforderung an eine dominierende Kultur und ihre Wertvorstellungen einer Gerechtigkeitsnorm und einer Politik weichen, in deren Zentrum die Vielsprachigkeit und Heterogenität einer Einwanderungsgesellschaft steht, in der es nicht um die Bewahrung verschiedener kultureller Identitäten, sondern um ein „Miteinander unter Verschiedenen“ geht (vgl. Hess u.a. 2009).
Siehe Assimilation
Literatur
Klaus Bade (1984): Auswanderer - Wanderarbeiter - Gastarbeiter: Bevölkerung, Arbeitsmarkt und Wanderung in Deutschland seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Ostfildern: Winkel-Stiftung.
Klaus Bade (1992): "Einheimische Ausländer: '‚Gastarbeiter'‘-– Dauergäste – Einwanderer". In: ders. (Hrsg.), Deutsche im Ausland - Fremde in Deutschland: Migration in Geschichte und Gegenwart. München: Verlag C.H.Beck.
Rainer Geißler (2014): Migration und Integration. In: Informationen zur politischen Bildung. Nr. 324. (abgerufen am 18.08.2023).
Sabine Hess/Jana Binder/Johannes Moser (2009): No integration?! Kulturwissenschaftliche Beiträge zur Integrationsdebatte in Europa. Bielefeld. Transcript Verlag.
Der wissenschaftliche Grundkonsens in der Rassismusforschung nach dem II. Weltkrieg in Europa stimmt mit der These des Neorassismus als dominierender historischer Konjunktur des Rassismus nach dem II. Weltkrieg darin überein, dass nun an Stelle des Begriffs der Rasse der der "„Kultur"“ tritt(vgl. Hauck 2017: 154ff). (Collette Guillaumin bringt es 1990 auf dem Hamburger Kongress „Rassismus und Migration in Europa“ zu Sprache und betont, dass es mit dem Wort „Rasse“ offensichtlich zu Ende geht, hingegen nicht mit seinem Begriff und seinen semantischen Äquivalenzen (vgl. Guillaumin 1992: 77)) Die französischsprachige Soziologin, Collette Guillaumin, betont weiterhin, dass wenn auch das Wort „Rasse“ tendenziell verschwindet, so bleibt doch die damit verbundene Vorstellung bestehen, die durch das Entfallen des Begriffs „Rasse“ zensiert und verschleiert wird (vgl. Guillaumin 1989, 2). Im Zentrum des ideologischen Bedeutungsgehalts im sogenannten differentialistischen oder kulturalistischem Rassismus steht das Paradox des „Rassismus ohne Rassen“. Im differentialistischen Rassismus spielen kulturelle Differenzen und kulturelle Identitäten von sozialen Gruppen anstelle von biologischen und „rassischen“ Merkmalen nun als Felder der Diskriminierung eine bedeutende Rolle. Daher findet der Diskriminierungsprozess nun auch kulturalisierend statt. Kulturalisierend meint hier, dass vorgegeben wird, man würde sich auf kulturelle und subjektive Aspekte der kulturellen Praxen einer sozialen Gruppen beziehen. Kulturalisierung bezeichnet keine kulturell-subjektiven sinngebenden Praktiken einer sozialen Gruppe, sondern Kulturalisierung funktioniert als gesellschaftliche, sprachliche, politische und institutionelle Praxis, die gesellschaftliche Widersprüche und Konflikte individualisierend auf die entsprechenden sozialen Gruppen hin überträgt und dabei gesellschaftlich-objektive Wirkzusammenhänge intransparent macht (vgl. Hall 2017). In diesem Zusammenhang spricht man von einer entpolitisierenden und individualisierenden Wirkung von kulturalistischen Argumenten. „Migrantische Jugendliche sind schlecht in der Schule, weil ihre Kultur dem Bildungsprozess keine besondere Rolle zuweist“, lautet in etwa ein wiederkehrendes Beispiel aus den Medien der letzten Jahre. Anstelle einer gesellschaftspolitischen Analyse, die die überdurchschnittliche Armutsgefährdung von migrantischen Jugendlichen durch strukturelle Ausschlussprozesse im Bildungssystem eruieren würde, wird Bildungsbenachteiligung auf die Verantwortung der Ausgeschlossenen übertragen und aus sich selbst heraus tautologisch zu begründen vorgeschlagen (Taguieff 1990). Neben dem entpolitisierenden Aspekt findet eine Naturalisierung von Kultur statt: im „Rassismus ohne Rassen“ werden vermeintlich sozio-kulturelle Differenzen zwischen sogenannten unterschiedlichen Kulturen als Ausgangslage für Prozesse der Markierung, Diskriminierung, Hierarchisierung und Abwertung zwischen sozialen Gruppen herangezogen. Kultur wird dabei als Grund für abgewertete Andersartigkeit herangeführt. „Sie können nicht anders, da ihre Kultur so ist“, heißt eine gängige Argumentation im Alltagsrassismus. Dabei wird Kultur, das einen angelernten und sozialen Prozess als auch kollektive Riten bezeichnet, die von Individuen als auch Gruppen differenziert, inkohärent, vorübergehend und jeweils unterschiedliche reproduziert werden, widersprüchlicherweise ein essentialistisch-naturgegebener Zustand zugeschrieben. Dabei verändert sich Kultur und kulturelle Aneignungs- und Sinngebungsprozesse sind differenziert. Kulturelle Identitäten erscheinen in kulturalistischer Interpretation als unveränderbar und naturgegeben und sie werden entsprechend der diskriminierenden Logik pauschal stereotypisiert. Anstelle des „Rassebegriffs“ erscheint der Begriff der „kulturellen Differenz“ fortan als Element von ideologischen Rassifizierungsprozessen. Als problematisch gilt außerdem seit der Neuen Rechten, dass das Konzept der kulturellen Differenz und ihr Erhalts von der Neuen Rechten angeeignet wurde. Rechtspopulistische Ideologen fordern ihn sogar vehement ein. In ihrer Argumentation heißt es, dass der Erhalt jeder kulturelleren Differenz und Identität geschützt und deshalb eine „Mischung“ von kulturellen Gruppen verhindert werden müsste. Im Falle von antimigrantischen politischen Abwehrhaltungen wird auf diese Weise das Argument der „Überforderung“ und „Überfremdung“ aufgebaut. Demnach sei die „Deutsche Kultur“ bedroht, weil die migrantische Überfremdung, demographisch als auch kulturell Überhand gewinnen würde.
Siehe Kulturelle Differenz(en)
Literatur
Stuart Hall (2017): Rassismus und kulturelle Identität. Ausgewählte Schriften II. Hamburg: Argument-Verlag.
Nora Räthzel (Hrsg.) (2000). Theorien über Rassismus. Berlin: Argument.
Pierre-André Taguieff (1990): The New Cultural Racism in France. In: Telos 1990 (83). New York: Telos Press, S. 109-122.
Der wissenschaftliche Grundkonsens in der Rassismusforschung nach dem II. Weltkrieg in Europa stimmt mit der These des Neorassismus als dominierender historischer Konjunktur des Rassismus nach dem II. Weltkrieg darin überein, dass nun an Stelle des Begriffs der Rasse der der "„Kultur"“ tritt(vgl. Hauck 2017: 154ff). (Collette Guillaumin bringt es 1990 auf dem Hamburger Kongress „Rassismus und Migration in Europa“ zu Sprache und betont, dass es mit dem Wort „Rasse“ offensichtlich zu Ende geht, hingegen nicht mit seinem Begriff und seinen semantischen Äquivalenzen (vgl. Guillaumin 1992: 77)) Die französischsprachige Soziologin, Collette Guillaumin, betont weiterhin, dass wenn auch das Wort „Rasse“ tendenziell verschwindet, so bleibt doch die damit verbundene Vorstellung bestehen, die durch das Entfallen des Begriffs „Rasse“ zensiert und verschleiert wird (vgl. Guillaumin 1989, 2). Im Zentrum des ideologischen Bedeutungsgehalts im sogenannten differentialistischen oder kulturalistischem Rassismus steht das Paradox des „Rassismus ohne Rassen“. Im differentialistischen Rassismus spielen kulturelle Differenzen und kulturelle Identitäten von sozialen Gruppen anstelle von biologischen und „rassischen“ Merkmalen nun als Felder der Diskriminierung eine bedeutende Rolle. Daher findet der Diskriminierungsprozess nun auch kulturalisierend statt. Kulturalisierend meint hier, dass vorgegeben wird, man würde sich auf kulturelle und subjektive Aspekte der kulturellen Praxen einer sozialen Gruppen beziehen. Kulturalisierung bezeichnet keine kulturell-subjektiven sinngebenden Praktiken einer sozialen Gruppe, sondern Kulturalisierung funktioniert als gesellschaftliche, sprachliche, politische und institutionelle Praxis, die gesellschaftliche Widersprüche und Konflikte individualisierend auf die entsprechenden sozialen Gruppen hin überträgt und dabei gesellschaftlich-objektive Wirkzusammenhänge intransparent macht (vgl. Hall 2017). In diesem Zusammenhang spricht man von einer entpolitisierenden und individualisierenden Wirkung von kulturalistischen Argumenten. „Migrantische Jugendliche sind schlecht in der Schule, weil ihre Kultur dem Bildungsprozess keine besondere Rolle zuweist“, lautet in etwa ein wiederkehrendes Beispiel aus den Medien der letzten Jahre. Anstelle einer gesellschaftspolitischen Analyse, die die überdurchschnittliche Armutsgefährdung von migrantischen Jugendlichen durch strukturelle Ausschlussprozesse im Bildungssystem eruieren würde, wird Bildungsbenachteiligung auf die Verantwortung der Ausgeschlossenen übertragen und aus sich selbst heraus tautologisch zu begründen vorgeschlagen (Taguieff 1990). Neben dem entpolitisierenden Aspekt findet eine Naturalisierung von Kultur statt: im „Rassismus ohne Rassen“ werden vermeintlich sozio-kulturelle Differenzen zwischen sogenannten unterschiedlichen Kulturen als Ausgangslage für Prozesse der Markierung, Diskriminierung, Hierarchisierung und Abwertung zwischen sozialen Gruppen herangezogen. Kultur wird dabei als Grund für abgewertete Andersartigkeit herangeführt. „Sie können nicht anders, da ihre Kultur so ist“, heißt eine gängige Argumentation im Alltagsrassismus. Dabei wird Kultur, das einen angelernten und sozialen Prozess als auch kollektive Riten bezeichnet, die von Individuen als auch Gruppen differenziert, inkohärent, vorübergehend und jeweils unterschiedliche reproduziert werden, widersprüchlicherweise ein essentialistisch-naturgegebener Zustand zugeschrieben. Dabei verändert sich Kultur und kulturelle Aneignungs- und Sinngebungsprozesse sind differenziert. Kulturelle Identitäten erscheinen in kulturalistischer Interpretation als unveränderbar und naturgegeben und sie werden entsprechend der diskriminierenden Logik pauschal stereotypisiert. Anstelle des „Rassebegriffs“ erscheint der Begriff der „kulturellen Differenz“ fortan als Element von ideologischen Rassifizierungsprozessen. Als problematisch gilt außerdem seit der Neuen Rechten, dass das Konzept der kulturellen Differenz und ihr Erhalts von der Neuen Rechten angeeignet wurde. Rechtspopulistische Ideologen fordern ihn sogar vehement ein. In ihrer Argumentation heißt es, dass der Erhalt jeder kulturelleren Differenz und Identität geschützt und deshalb eine „Mischung“ von kulturellen Gruppen verhindert werden müsste. Im Falle von antimigrantischen politischen Abwehrhaltungen wird auf diese Weise das Argument der „Überforderung“ und „Überfremdung“ aufgebaut. Demnach sei die „Deutsche Kultur“ bedroht, weil die migrantische Überfremdung, demographisch als auch kulturell Überhand gewinnen würde.
Siehe Kulturalisierung
Literatur
Stuart Hall (2017): Rassismus und kulturelle Identität. Ausgewählte Schriften II. Hamburg: Argument-Verlag.
Nora Räthzel (Hrsg.) (2000). Theorien über Rassismus. Berlin: Argument.
Pierre-André Taguieff (1990): The New Cultural Racism in France. In: Telos 1990 (83). New York: Telos Press, S. 109-122.
Der Begriff Rassifizierung bezeichnet die „Prägung von Identität durch Konstruktionen von Rasse und Ethnizität“ (vgl. Eggers 2005). Die Unterscheidung zwischen Rassismus und Prozessen der Rassifizierung erlaubt uns, die rassifizierten Objekte des Rassismus nicht gleichzusetzen mit den Menschengruppen bzw. Objekten des rassistischen Wissens und den Hierarchien zwischen den rassifizierten sozialen Gruppen. Es gibt keine „Rassen“, aber dafür rassifizierte sozialen Gruppen, die in einer symbolischen und strukturellen Hierarchie zueinander stehen. Der Prozess der Rassifizierung erfindet die Unterschiedlichkeit menschlicher „Rassen“ aufgrund biologischer und sozio-kultureller Merkmale, legitimiert und reproduziert sie. Sozio-kulturelle Differenzen werden durch die rassistische Legitimation von sozialer Ungleichheit und Hierarchen naturalisiert. Rassifizierung vereinheitlicht und homogenisiert soziale Gruppen, die heterogen sind, und setzt sie anhand erfundener historisch überlieferter Kategorien, Erzählungen, Klassifikationsmuster und Mythen voneinander ab. Sie werden als grundsätzlich verschieden gegenübergestellt.
Literatur
Bob Carter (2000): Realism and Racism. Concepts of Race in Sociological Research. London: Routledge.
David Goldberg (1993): Racist Culture. Philosophy and the Politics of Meaning. Wiley-Blackwell.
Maisha Maureen Eggers (2005): Rassifizierte Machtdifferenz als Deutungsperspektive in der kritischen Weißseinsforschung in Deutschland. In: Eggers u.a. (Hrsg.): Mythen, Masken und Subjekte. Münster: Unrast Verlag, S. 56–72.
Birgit Rommelspacher (2009): Was ist eigentlich Rassismus? In: Melter, Claus/Mecheril, Paul (Hg.): Rassismuskritik. Schwalbach: Wochenschau Verl., S. 25-38.
Stuart Hall (1989): Rassismus als ideologischer Diskurs. In: Das Argument 1989 (178) Hamburg: Argument Verlag, S. 913-921.
Aktuellen Rassismustheoretiker:innen folgend bezeichnet Rassismus ein Ensemble von Ideologien und Praxen, die vermeintlich unterscheidende Markierungen auf der Ebene von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Sprache und Kultur erfinden, um soziale Gruppe voneinander abuzugrenzen und zu hierarchisieren. Rassismus schafft „Wissen“, um soziale, politische und wirtschaftliche Verhältnisse darzustellen und Ungleichheiten zu legitimieren. Es handelt sich um ein gesellschaftliches, – symbolisches und strukturelles – Verhältnis, das sich innerhalb von Macht- und Herrschaftsverhältnissen durchsetzt und zugleich dazu dient, Macht und Herrschaft herzustellen und zu legitimieren. Der strukturelle und symbolische Zugang zu und Auschluss von materiellen und immateriellen Ressourcen stehent im Fokus von Rassismus.
Wie können wir Rassismus im Rahmen einer kritischen Gesellschaftsanalyse denken, ohne bei den Imaginationen, Stereotypen, angstbesetzten Objektkonstruktionen stehen zu bleiben, die selber erst durch das rassistische „Wissen“ geschaffen werden (vgl. Goldberg 1993: 147)? Diese Frage berührt ein grundsätzlich paradoxes und irrationales Moment innerhalb der Rassismus-Diskussion. Rassismus vermittelt den Eindruck, dass man über die rassifizierten Menschengruppen – Geflüchtete, Migrant:innen usw. – spricht. Dabei wird über die von rassistischen Ideologien und über Rassifizierungsprozesse als Imaginationen konstruierten Menschengruppen und keineswegs über vermeintliche objektive Wahrheiten oder migrantische Kulturen, „Rassen“ und Identitäten gesprochen (vgl. Carter 2000).
Die Rassismusforschung hat sich nach dem „Racial Turn“ der 1980er Jahre (vgl. Arndt 2011: 185; vgl. Raman 1995) epistemologiekritisch neu orientieren müssen. Der sogenannte „Racial Turn“ bezeichnet keine Fokussierung auf „Rassen“, sondern er rekurriert vielmehr in Anlehnung an postkolonialen Kritiken aus dem Globalen Süden nach dem Ende des Kolonialismus auf eine kritische Auseinandersetzung mit Rassismus und der gesamten Geschichte des „Rassenzeitalters“ wie auch der „Rassenlehre“. Die Änderung des Blickwinkels von den vermeintlichen „Rassen“ zurück auf den Rassismus selber, seine Funktionsweise, Form und seine Rassentheoretiker haben ein breites Untersuchungsfeld aufgemacht und die Rassismusforschung globalisiert. In den letzten 30 Jahren entstanden dabei differenzierte Analysen, die vor allem zur Schlussfolgerung geführt haben, dass es unterschiedliche Formen ausgrenzender und diskriminierender rassistischer Praktiken gibt, die notwendigerweise zu einer mehrdimensionalen Rassismusforschung führen, weshalb es auch schlüssiger ist von Rassismen zu sprechen.
Literatur
Susan Arndt (2011): Racial Turn. In: dies./Nadja Ofuatey-Alazard (Hrsg.): Wie Rassismus aus Wörtern spricht. Ein kritisches Nachschlagewerk. Unrast Verlag: Münster, S. 671-678.
Bob Carter (2000): Realism and Racism. Concepts of Race in Sociological Research. London: Routledge.
David Goldberg (1993): Racist Culture. Philosophy and the Politics of Meaning. Wiley-Blackwell.
Nationaler Diskriminierungs- und Rassismusmonitor (Hrsg.) (2023): Rassismusforschung I. Theoretische und interdisziplinäre Perspektiven. Biefeld: transcript-Verlag.
Maisha Maureen Eggers (2005): Rassifizierte Machtdifferenz als Deutungsperspektive in der kritischen Weißseinsforschung in Deutschland. In: Eggers u.a. (Hrsg.): Mythen, Masken und Subjekte. Münster: Unrast Verlag, S. 56–72.
Maisha Maureen Eggers(2018): Rassismus. Eine Definition für die Alltagspraxis. (zuletzt abgerufen: 17.08.2023).
Birgit Rommelspacher (2009): Was ist eigentlich Rassismus? In: Claus Melter/Paul Mecheril (Hrsg.): Rassismuskritik. Schwalbach: Wochenschau Verlag, S. 25-38.
Stuart Hall (1989): Rassismus als ideologischer Diskurs. In: Das Argument, 1989 Heft (178.) Hamburg: Argument Verlag., S. 913-921.
Shankar Raman (1995): The Racial Turn: "Race", Postkolonialität, Literaturwissenschaft. In: Miltos Pechlivanos/Stefan Rieger/Wolfgang Struck/Michael Weitz: Einführung in die Literaturwissenschaft. Stuttgart: Metzler, S. 241–255.
Am 9. Oktober 2019 versuchte ein schwerbewaffneter Rechtsextremist während des jüdischen Feiertags Yom Kippur die Synagoge in Halle (Saale) durch Schüsse zu öffnen. Der Terroranschlag scheiterte nur knapp an der schusssicheren Eingangstür der Synagoge. Auf dem Fluchtweg erschoss er Jana Lange und Kevin Schwarze und verletzte mehrere Personen, bevor er festgenommen werden konnte. Während des Strafprozesses am Landgericht Magdeburg gestand er später, nach der Synagoge zielsicher auf den Imbiss „Kiez-Döner“ zugesteuert zu sein, um dort Migrant:innen zu ermorden. In den Vernehmungsprotokollen heißt es, dass sich sein Hass auf Jüd:innen, Migrant:innen, Frauen im Sommer 2015 nochmals radikalisierte, als Bundeskanzlerin Angela Merkel die Grenzen Deutschlands für zehntausende Geflüchtete an der Ost-Balkanroute öffnete mit dem bis heute umstrittenen, nur scheinbar einfachen Satz „Wir schaffen das!“
Literatur
Die vollständige Prozessdokumentation ist in verschiedenen Sprachen hier zu finden: Vollständige Dokumentation zum Halle-Prozess in Englisch, Türkisch, Russisch und Deutsch - Verband der Beratungsstellen Für Betroffene Rechter, Rassistischer und Antisemitischer Gewalt e.V (verband-brg.de)
Als Trigger werden in der Traumaforschung externe Reize oder Situationen bezeichnet, die starke emotionale Reaktionen oder Erinnerungen an eine vergangene Erfahrung auslösen. Trigger können vielfältig sein und umfassen visuelle, auditive, olfaktorische (Geruch), taktile (Berührung) oder emotionale Reize. Sie können Erinnerungen an traumatische Erfahrungen wachrufen und physiologische Reaktionen wie Angst, Panik, erhöhten Herzschlag oder sogar Flashbacks auslösen. Diese Reaktionen können unkontrollierbar und überwältigend sein. Insbesondere im Zuge der juristischen Aufarbeitung der Shoah und der nationalsozialistischen Verbrechen und dem Kampf der Überlebenden um Anerkennung und Entschädigung wurde Traumaforschung zum Gegenstand politischer Kämpfe und Werkzeug der Analyse, die auch Eingang gefunden hat in anti-rassistische und feministische Diskurse.
Die gesellschaftliche und politische Haltung gegenüber Rassismus, die strafrechtliche Verfolgung und konsequente Bekämpfung von Gewalt und Täter:innennetzwerken sind deshalb nicht nur gesellschaftlich für die Verteidigung einer offenen und demokratischen Gesellschaft notwendig, sondern ein zentraler Baustein in der Traumamanifestierung und -überwindung für die Betroffenen. Geschieht dies nicht und folgt der Gewalterfahrung keine Aufklärung und offizielle Anerkennung der Opfer, manifestiert sich die Traumatisierung nachhaltig. Rassistische, antiziganistische, antisemitische und rechte Gewalt prägt als biographische Erfahrungsdimension die Identität, dennoch sind Betroffene nie nur Opfer und Objekte der Gewalt. Sie setzen sich den gesellschaftlichen Bedingungen und infrastrukturellen Voraussetzungen entsprechend immer auch mit der erlebten rassistischen Gewalt auseinander. Ein eindrückliches Beispiel dafür ist die Erinnerungsarbeit, die die Betroffenen in Duisburg gemeinsam mit der Initiative Duisburg 1984 begonnen haben.
Siehe Trigger
Literatur
Heike Kleffner/Ceren Türkmen (2020): Solidarisch & Professionell: Zwei Jahrzehnte unabhängige Beratung für Betroffene rechter, rassistisch und antisemitisch motivierter Gewalt. In: Michaela Kirmes/ Rosmarie Barwinski: TRAUMA. Zeitschrift für Psychotraumatologie und ihre Anwendungen. Heft 1/2020: Schwerpunktthema: Opfer rechter Gewalt, Kröning: Asanger Verlag.
Markus Brunner (2019): Trigger-Warnungen. Zur Politisierung eines Traumatherapeutischen Konzepts. In: Eva Berendsen/Saba-Nur Cheema/Meron Mendel (Hrsg.): Trigger Warnung. Berlin: Verbrecher Verlag.
José Brunner (2004): Politik der Traumatisierung. Zur Geschichte des verletzbaren Individuums. In: WestEnd. Neue Zeitschrift für Sozialforschung, Heft 1. Frankfurt/Main: Stroemfeld-Verlag.
Als Trigger werden in der Traumaforschung externe Reize oder Situationen bezeichnet, die starke emotionale Reaktionen oder Erinnerungen an eine vergangene Erfahrung auslösen. Trigger können vielfältig sein und umfassen visuelle, auditive, olfaktorische (Geruch), taktile (Berührung) oder emotionale Reize. Sie können Erinnerungen an traumatische Erfahrungen wachrufen und physiologische Reaktionen wie Angst, Panik, erhöhten Herzschlag oder sogar Flashbacks auslösen. Diese Reaktionen können unkontrollierbar und überwältigend sein. Insbesondere im Zuge der juristischen Aufarbeitung der Shoah und der nationalsozialistischen Verbrechen und dem Kampf der Überlebenden um Anerkennung und Entschädigung wurde Traumaforschung zum Gegenstand politischer Kämpfe und Werkzeug der Analyse, die auch Eingang gefunden hat in anti-rassistische und feministische Diskurse.
Die gesellschaftliche und politische Haltung gegenüber Rassismus, die strafrechtliche Verfolgung und konsequente Bekämpfung von Gewalt und Täter:innennetzwerken sind deshalb nicht nur gesellschaftlich für die Verteidigung einer offenen und demokratischen Gesellschaft notwendig, sondern ein zentraler Baustein in der Traumamanifestierung und -überwindung für die Betroffenen. Geschieht dies nicht und folgt der Gewalterfahrung keine Aufklärung und offizielle Anerkennung der Opfer, manifestiert sich die Traumatisierung nachhaltig. Rassistische, antiziganistische, antisemitische und rechte Gewalt prägt als biographische Erfahrungsdimension die Identität, dennoch sind Betroffene nie nur Opfer und Objekte der Gewalt. Sie setzen sich den gesellschaftlichen Bedingungen und infrastrukturellen Voraussetzungen entsprechend immer auch mit der erlebten rassistischen Gewalt auseinander. Ein eindrückliches Beispiel dafür ist die Erinnerungsarbeit, die die Betroffenen in Duisburg gemeinsam mit der Initiative Duisburg 1984 begonnen haben.
Siehe Trauma
Literatur
Heike Kleffner/Ceren Türkmen (2020): Solidarisch & Professionell: Zwei Jahrzehnte unabhängige Beratung für Betroffene rechter, rassistisch und antisemitisch motivierter Gewalt. In: Michaela Kirmes/ Rosmarie Barwinski: TRAUMA. Zeitschrift für Psychotraumatologie und ihre Anwendungen. Heft 1/2020: Schwerpunktthema: Opfer rechter Gewalt, Kröning: Asanger Verlag.
Markus Brunner (2019): Trigger-Warnungen. Zur Politisierung eines Traumatherapeutischen Konzepts. In: Eva Berendsen/Saba-Nur Cheema/Meron Mendel (Hrsg.): Trigger Warnung. Berlin: Verbrecher Verlag.
José Brunner (2004): Politik der Traumatisierung. Zur Geschichte des verletzbaren Individuums. In: WestEnd. Neue Zeitschrift für Sozialforschung, Heft 1. Frankfurt/Main: Stroemfeld-Verlag.
W.E.B. du Bois wurde 1868 in Massachusetts geboren und starb 1963 in Ghana. Er wird drei Jahre nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg in eine freie afroamerikanisch-bürgerliche Familie geboren. Du Bois zählt heute noch zu den einflussreichsten Historikern und Soziologen weltweit. Seine zahlreichen wissenschaftlichen Analysen und politischen Schriften über die Geschichte der USA, Kolonialismus, Sklaverei, Rassentrennung und die ökonomische Ausbeutung von Afroamerikaner:innen in den USA gehören heute noch zu den Standartwerken. Zudem wird er in der internationalen Rassismusforschung breit rezipiert. Von 1892 bis 1894 studierte er in Berlin und Heidelberg. 1895 wurde er als erster Afroamerikaner in Harvard promoviert. Du Bois war neben seiner Tätigkeit als Wissenschaftler federführend in der Gründung der Bürger:innenrechtsbewegung und der Panafrikansichen Bewegung. Im Rahmen seiner politischen Tätigkeiten reiste er 1936 nach Europa. Für einige Monate hielt er sich damals auch in Berlin im NS-Staat auf. Seine Beobachtungen zur Situation der Jüd:innen und zum herrschenden Antisemitismus verfasst er mehrere Zeitungsberichte. Er stellte als Rassismusforscher auch direkte Vergleiche zwischen dem Rassismus in den USA gegenüber der afroamerikanischen Bevölkerung und dem Antisemitismus im NS-Staat her. Es ist zu betonen, dass sein Aufenthalt vor der systematischen Vernichtungspolitik von Jüd:innen 1936 lag, und seine Arbeit unter Berücksichtigung dieses Punktes gelesen werden sollte. Eine neu von Oliver Lubrich herausgegebene Sammlung dieser Schriften findet sich in: W.E.B. Du Bois (2022): Along the Color Line. Eine Reise durch Deutschland 1936.” C.H. BECK textura: München.